Die Kleewiese geht ins Konzert – was Tallith, Claudia und LaMaga beim Tourauftakt in der Kölner Essigfabrik erlebt haben, lest ihr in diesem kleinen Konzertbericht.

 

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Auf nach Kölle – fast pünktlich zum jecken Saisonbeginn und bewaffnet mit einer Tüte Ausrüstung für eine unserer berüchtigten „Geheimen Geheimaktionen“ machen Tallith, Chrissy und LaMaga sich späten Nachmittag mit dem Zug auf den Weg in die Domstadt, wo Saltatio Mortis nicht nur die Zirkus-Zeitgeist-Tour in Deutschland eröffnen, sondern gleich noch eine weitere Premiere feiern: Eine neue Location wird ausprobiert, die Essigfabrik. Keiner von uns war zuvor in dieser Halle, entsprechend sind wir neugierig: Wird die Halle, gegenüber der gewohnten Live-Music-Hall, eine Verbesserung sein? Wird man auch dort, kaum dass der letzte Ton verhallt ist, von den Ordnern aus der Halle gefegt? Und: Werden wir die Konzerthalle überhaupt finden?

 

Der Zug ist gut überfüllt, aber halbwegs pünktlich und bringt uns nach Köln-Deutz. Dort gilt es, die Anschluss-Straßenbahn zu erreichen, was uns nach Anfangsschwierigkeiten und erfolglosen Recherchen bei Passanten schließlich mit Hilfe der Handy-Navígation auch gelingt. Wir fragen uns, wie wir früher eigentlich ohne Handy überleben konnten und sind erleichtert, in der Straßenbahn eine Schar von Personen anzutreffen, die aufgrund ihrer Garderobe als Anhänger einer bekannten Band zu identifizieren sind. Wir müssen also nur noch der “Schwarzen Horde” nachlaufen und gelangen so etwa eine halbe Stunde vor Einlass zur Essigfabrik, wo sich bereits eine ansehnliche Menschenschlange gebildet hat. Wir stoßen zu Claudia und dem Rest der Totentänzer-Truppe , verteilen unser „Material“ und verbringen die Zeit bis zur Türöffnung mit familiärem Geplauder.

 

Die Tore öffnen sich – nun heißt es, flink zu sein, denn für die „Geheimaktion“ ist es unerlässlich, dass wir möglichst in den vorderen Reihen zu stehen kommen. Das gelingt, und während der verschworene Trupp sich entsagungsreich die Füße in den Bauch steht, um die Plätze nicht wieder zu verlieren, kommen neue Ideen für Totentänzer-Merchartikel auf. Anglerhocker mit Logo zum Beispiel, oder Totentänzer-Absperrband. Wir kommen uns fast ein wenig vor wie erste-Reihe-Groupies.

 

Bevor die Vorband die Bühne betritt, ist nun ausgiebig Gelegenheit, die Essigfabrik zu bestaunen. Erste, positive Feststellung: Der Boden klebt nicht. Deutliche Verbesserung gegenüber der Live Music Hall. Ansonsten: Ist die Halle größer? Die Bühne kleiner? Wir können es nicht richtig einschätzen. An vielen Ecken blättert Putz, ein charmanter Hauch von Baufälligkeit, gar nicht so unpassend für die Zirkus-Zeitgeist-Thematik. Ansonsten: Ein typisches ehemaliges Industriegebäude, in das eine Bühne und eine Menge Leute hinein passen. Passt schon. Aber: Ist, von der Thekenkraft gesiezt zu werden, nun eine subtile Anspielung darauf, dass man zu alt für solche Veranstaltungen wird?

 

Durch das große Nachtgeschrei-Banner ist das Saltatio Mortis-Bühnenbild noch verdeckt. Beleuchtungselemente wie nackte Glühbirnen (wo haben sie die bloß noch aufgetrieben?) am langen Kabel lassen aber erste Ahnungen vom Zirkus-Design erahnen. Während wir uns umsehen und ein Facebook-Bild aus dem Backstage mit Bruder Frank im Bademantel für Belustigung sorgt, betreten Nachtgeschrei die Bühne. Die sechsköpfige Band, bei diesem Auftritt mit einem Gastschlagzeuger, heizt in einem mitreißenden 45-Minuten-Set mit deutschsprachigem Mittelaltermetal ein und sorgt für gute Stimmung. Nicht nur die angereisten Nachtgeschrei-Fans sind begeistert von der kraftvollen Performance – eine gut gewählte Supportband, die an diesem Abend ihre Fangemeinde sicherlich deutlich vergrößert hat.

 

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Ein Gongsignal mit der Ansage, die Vorstellung beginne in wenigen Minuten – ein nettes Gimmick fürs wartende Volk – hält die Stimmung hoch, während der wir nun beobachten können, wie flinke Helfer durchs Bild wuseln und in kurzer Zeit die Bühne in die Kulissen des Zirkus Zeitgeist verwandeln, komplett mit Beleuchtung, violettem Vorhang und Textilverkleidungen, die aus den einzelnen Bühnenebenen optisch Zirkuspodeste machen. Instrumente werden verkabelt, die Spannung steigt, man rätselt, wer die redaktionelle Verantwortung für die Pausenmusik-Auswahl hat – und endlich ertönt das Intro zu den neuen Konzerten, eine verlängerte Variation des „Wo sind die Clowns“-Preludes. Dann betreten die Musiker die Bühne und nehmen ihre Plätze ein – zum Teil sind sie in den aufwändigen neuen Kostümen, andere sehen gewohnt „zivil“ aus. Aleas neues Outfit besticht durch ungewöhnliche Farbe – es ist mal wieder weiß – und Zierelemente, die sich später als fluoreszierend erweisen. Schick!

 

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Alea stimmt den Opener an – das Signal, auf das die Verschwörer gewartet haben. Als der Sänger die ersten Zeilen des Refrains schmettert – wo sind die Clown, wo sind die Narren – haben plötzlich rund fünfzig Konzertbesucher in den vorderen Reihen rote Clownsnasen im Gesicht. Ein Anblick, der Alea nach kurzem Stutzen sichtlich zu erheitern scheint. Mission erfolgreich erfüllt!

 

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Onkel FalkDie Band ist mit viel Enthusiasmus und Spielfreude bei der Sache. Besonders Herr von Mümmelstein geht aus sich heraus und gibt den Drehleier-Rocker. Die Interaktion der Künstler miteinander, oft hinter Aleas Rücken, lässt keinen Zweifel daran, dass die Band gut gelaunt und aufgedreht ist. An Stellen, in denen im Vordergrund Alea gerade ernste Texte präsentiert, wirkt das ausgelassene Geblödel streckenweise etwas befremdlich für den Betrachter, aber darüber kann fan hinweg sehen – Saltatio Mortis sind ja schließlich keine E-Musik-Band.

 

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Die Moderationen von Lasterbalk, Alea und Jean – ja, Jean! – sind ernst in der Sache, zu den Themen des Zirkus Zeitgeist. Die Eindringlichkeit der Songthemen spiegelt sich auch in den Wortbeiträgen wider und wird von den Zuschauern mit Zustimmung honoriert. Die Botschaften kommen an: Bei der Ansage zu „Augen zu“ beginnt das Publikum spontan „Nazis raus!“ zu skandieren. Das Saalpublikum ist auf einer Linie mit den Statements der Band. Doch natürlich bleibt es nicht bei trockenem Ernst. Immerhin erfahren wir von Jean, dass Pathos was mit einer bekannten Schafskäse-Marke zu tun hat.

Ein Hingucker der besonderer Art an diesem Abend ist El Silbador, der seinen Platz auf der Bühne direkt vor einem Ventilator hat, so dass sein Haar ständig im Winde weht, was sehr melodramatisch aussieht. Aber auch der Schalk kommt durch, als Elsi zum Punk-Song „Wir sind Papst“ plötzlich mit einer Pickelhaube auftritt.

 

Das Publikum erweist sich als sehr textsicher und kann praktisch alle Songs, auch die ganz neuen, bereits mitsingen. Es wird getanzt und gefeiert und den Fans einiges an körperlicher Kondition abgefordert. Kurz – die Stimmung ist phantastisch und Band und Zuschauer interagieren lebhaft miteinander.

 

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Während die erste Hälfte des Konzerts vor allem die neuen Stücke vom Zirkus Zeitgeist präsentiert, geht es in der zweiten Konzerthälfte auch mit älteren „Evergreens“ weiter. Alte Rituale wie das „Fasst-euren-Nachbarn“-Hüpfen bei „Koma“ sind nach wie vor im Programm. Nur eine Sache ist anders: Alea stürzt sich zu einem anderen Titel crowdsurfender Weise ins Publikum, um seine Runde durch den Saal zu „schwimmen“. Bei den älteren Songs stellt sich auch eine Änderung im Moderationsstil ein – es wird improvisiert und auch gewitzelt – sichtliche Entspannung der Band nach einem erfolgreichen Tourauftakt. Die Performance erhält ihren krönenden Abschluss, als Frank und Till am Ende, wohl als Hommage an Udo Jürgens, in ihren Bademänteln auf der Bühne stehen und sich mit dem Rest der Band den frenetischen Ovationen der begeisterten Fans stellen.

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Das Konzert ist vorbei, die Band von der Bühne herunter – und da ist es wieder: Das berühmt-berüchtigte Kölner Rausschmeißband. Binnen Minuten schieben die Saalordner die Menschen in der Halle in Richtung Ausgang, was zu Komplikationen führt, weil nun zeitgleich Leute versuchen, am Merch nahe der Tür zu shoppen, an der Theke noch ein Bier erbeuten oder Pfand loswerden wollen oder einfach nur ins Freie streben. Dazu kommen acht Rockstars, Felsen in der Brandung, die im Getümmel und Geschiebe noch tapfer versuchen, Autogramme zu geben – das Chaos ist perfekt.

 

Irgendwie gelangen wir ins Freie, wo sich die Gruppe relativ zügig auflöst – auf diverse Fahrzeuge verteilt geht es nach einem wunderbaren, mitreißenden Konzertabend zurück in Städte in ganz NRW. Die meisten Totentänzer werden auch zum Tourabschluss 2015 in Bochum anwesend sein – eine Trennung für nur wenige Woche also. Und viel, viel Vorfreude auf den Fortgang der Clowns im Zirkus Zeitgeist.