Dieses Interview wurde ursprünglich in Kenavo 19/ Augiust 2010 veröffentlicht.

Jean Mèchant, besser bekannt als „Der Tambour“ hat mit seinen Schlagzeugkünsten seit der letzten Saison ordentlich neuen Rhythmus in die Marktauftritte von Saltatio Mortis gebracht. Aber was genau hat es mit so einem Schlagzeug eigentlich auf sich? Die Kenavo-Redaktion es hat sich vom Experten erklären lassen.

LaMaga: Zunächst einmal danken wir Dir, dass Du Dir die Zeit für dieses Interview nimmst.

Jean: Bitte bitte, mach ich doch gern!

LaMaga: Einige Fans haben sich, nachdem du die Nachfolge von Thoron angetreten hast, über die „moderne“ und damit vermeintlich unauthentische Optik Deines Schlagzeugs irritiert gezeigt. Das Schlagzeug selbst besteht jedoch – abgesehen vom Rahmen – einer Forumsäußerung deinerseits nach, aus größtenteils den selben Einzelelementen. Verzerrt hier der optische Eindruck die klangliche Wahrnehmung?

Jean:  Hier ist es wohl wie bei vielen Dingen im Leben – man sieht und hört eben meistens das, was man  sehen und hören möchte. Stichwort selektive Wahrnehmung. In der Tat gab es am Anfang meiner Trommlerkarriere bei den Saltaten die ein oder andere Stimme aus dem Zuhörerkreis, die durchaus kritisch war und sich über den neuen „Drumset-Charakter“ der rhythmischen Begleitung ereifert hat. Ich habe dann eben im Forum mal darauf reagiert und zum Teil auch beabsichtigt etwas polemisch die Tatsache beleuchtet, dass die einzelnen Instrumente, die z.B. früher in Thorons Setup zu finden waren, sich eigentlich nicht von meinen unterscheiden. Er hat – genau wie ich – eine Bassdrum benutzt, ein paar Toms, eine Snare Drum, diverse Cymbals (was bis hierhin übrigens komplett einer modernen Schlagzeugzusammenstellung entspricht) und darüber hinaus dann eben eine Darabuka bzw eine Djembe als Handtrommel. Ich habe also nach genau diesem Vorbild mein Material zusammengestellt und mit den restlichen Bandmitgliedern die mittelalterlichen Stücke und die akustischen Versionen eigener Songs einstudiert. Das einzige, worauf ich verzichtet habe, war, das alte und etwas marode gewordene Holzgestell zu benutzen, an dem Thoron seine Trommeln befestigt hatte. Stattdessen habe ich ein schwarz eloxiertes Stahlgestell benutzt. Allein dies und die damit verbundene unterschiedliche Optik hat aber gereicht, dass einzelne Leute plötzlich „Verrat!“ gebrüllt haben. Aber jetzt mal ganz ehrlich: Wer mir dann mit den Begriffen „authentisch“ und „viel zu modern“ kommt, der hat definitiv auch vor meinem Einstieg zur Band nicht genau hingeschaut oder -gehört. Klar ist aber auch: Ich bin nun mal professioneller Drummer und Percussionist, habe diesen ganzen Trommelquatsch studiert, spiele nebenbei Klavier und Gitarre, war in Marokko und der Türkei, um authentische orientalische Rhythmen zu  lernen usw usw. Ich habe damit also einen völlig anderen Background, einen ganz eigenen Stil und interpretiere natürlich auch die SaMo-Stücke auf meine Art, also zwangsläufig ein wenig anders als Thoron. Der ein oder andere mag damit im ersten Moment vielleicht nicht klarkommen, aber die Band und vor allem die Fans empfanden und empfinden meinen kreativen Input als große Bereicherung. Das bestärkt mich und gibt mir Mut und Zuversicht für alles, was noch  kommen wird.

LaMaga: Inwieweit sind, im Hinblick auf historische Notationen, Rhythmus-Notierungen nachvollziehbar – dergestalt, dass ein Schlagzeuger darauf aufbauen oder das historische Spiel nachahmen kann?

Jean:  Hm, das ist eher schwierig. Man muss wissen , dass die meisten wirklich alten Notationen eben in sogenannten „Neumen“ zu finden sind. Das sind nicht wirklich Noten, wie wir sie heutzutage kennen, vielmehr handelt es sich dabei um Richtwerte, die in etwa eine Tonhöhe und in etwa eine Dauer der Tonlänge angeben. Diese Neumen dienten vor allem in den Klöstern dazu, die bis dato stets mündlich tradierten Gesänge in einer einigermaßen verständlichen Form schriftlich festzuhalten. Von Genauigkeit und rhythmischer Struktur kann da aber keine Rede sein. Von daher gibt es  im Hinblick auf historische Notationen keine wirklichen Anhaltspunkte, auf denen ein Schlagzeuger aufbauen und seine Rhythmen entwickeln könnte. Im Endeffekt hilft also nur eins: Zuhören und passend improvisieren, so wie es die Spielleute früher auf der Straße auch getan haben!

LaMaga:  Es ist anzunehmen, dass ein echter historischer Spielmann „auf Tour“ rein gepäcktechnisch kein komplettes Schlagzeug mit sich führen konnte. Welche Komponenten des Schlagzeugs sind unverzichtbar, bzw. in welchen Variationen finden sie sich in den „historischen“ Instrumenten wieder? Klingt z.B. die Bass Drum ähnlich  wie z.B. die Davul?

Jean: Nun, das kommt ein wenig darauf an, was man mit der rhythmischen Begleitung erreichen möchte. Will man eine Folkband begleiten in kleiner Besetzung, die vorrangig Saiten- und Streichinstrumente einsetzt? Soll der Sound eher luftig sein, mit viel Platz dazwischen? Dann reicht wahrscheinlich die ein oder andere Handtrommel, vielleicht eine Darabuka oder zusätzlich eine Davul, um etwas mehr Bassbereich zu haben. Dazu ein Schellenkranz und eine Rahmentrommel – fertig ist die vielseitig einsatzfähige Rhythmusfraktion! Möchte man jedoch in einem etwas volleren Klangspektrum mitmischen und richtig Alarm machen, muss man sich entsprechend anderes Material vornehmen. In unserem Falle bedeutet das nun mal, dass mit den Dudelsäcken, der Bouzouki, mit Schalmeien und der Drehleier schon ein ordentliches Klangbrett vorgelegt wird, mit dem man als Percussionist erst mal mithalten muss. Also konzentriert man sich eher auf große Trommeln mit ordentlichem Wumms, setzt zusätzlich ein paar klangliche Akzente mit der Davul, benutzt dann noch Handpercussion wie Djembe, Darabuka oder ähnliches und bietet so ein breites rhythmisches Fundament, auf dem sich der Rest der Truppe austoben kann. Und das wichtigste: Es schiebt einen ordentlich an und lässt die Füße tanzen! Zu den historischen Instrumenten bzw ihrer Vorbildfunktion für heutiges Material: Klar, Trommeln und Rhythmusinstrumente sind wohl so alt wie die Menschheit selbst und es gab und gibt ständige Entwicklung. Von Rasseln über kleine Handtrommeln bis hin zu wirklich großen Holzkesseln aus ganzen Baumstämmen ist da alles mögliche zu finden. Und ja, eine Davul mit ihren zwei Seiten – eine hoch, die andere tief – lässt sicherlich in gewisser Weise erahnen, was sich historisch dann einige Zeit später mit Basstrommel und Snare Drum an Rhythmuskombinationen so entwickeln wird. Das ist wirklich interessant, wenn man es mal genauer betrachtet! Besonders dann, wenn man sich bewusst macht, dass die Davul geografisch eher im orientalischen Raum zu finden ist, sich aber auch in Mitteleuropa entsprechende Klangphänomene entwickelt haben, die sich dann später – besonders in der Militärmusik –  als Basstrommel und Landsknechttrommel (die sich später zu Snare Drum entwickeln wird) wiederfinden. Im Grunde geht es ja immer um eine Art „Frage/Antwort“-Spiel innerhalb der Instrumente, also um das Miteinander von hohen und tiefen, schrillen und sanften oder auch weichen und harten Klängen, deren Gesamtheit dann den eigentlichen Groove, also die Basis liefert, auf dem das Musikstück aufbaut. Ungeachtet dessen, welche Sounds dann wirklich zum Zuge kommen.

LaMaga: Auf den Marktkonzerten ist neben dir Lasterbalk als zweiter Schlagwerker auf der Bühne. Ist das auftritts- und spieltechnisch gewöhnungsbedürftig für dich gewesen oder kommt so etwas, also mehr als ein Schlagzeuger auf der Bühne, öfter vor als man denkt?

Jean: Das kommt schon öfter vor. Man muss sich nur mal ein klassisches Orchester anschauen, in dem gleich mehrere Schlagwerker die verschiedenen Instrumente bedienen. Da gibt es dann einen für die Pauken, ein anderer spielt Große Trommel und Becken, wieder ein anderer kümmert sich um die kleine Trommel und weitere Dinge wie Tamburin etc., während ein weiterer Kollege die Stabspiele wie Xylophon oder Marimba bedient. Und alle müssen zusammen funktionieren und – sofern man im klassischen Bereich überhaupt davon sprechen kann – auch gemeinsam grooven! In der Pop- und Rockmusik gibt es das ebenfalls sehr häufig, dass neben dem Drummer noch ein Percussionist mit an Bord ist. Und ja, das ist meist erst mal ein bisschen gewöhnungsbedürftig, nicht mehr der Alleinherrscher über den Rhythmus zu sein. Da ist Zusammenspiel angesagt, man muss gut zuhören können und dem anderen auch mal etwas Raum geben. Man darf nicht alles mit kleinen Notenwerten zukleistern und den Groove kaputt spielen. Bei Lasterbalk und mir hat das zum Glück von vornherein sehr gut geklappt, was wohl daran liegt, dass wir beide einfach schon langjährige Erfahrung im Zusammenspiel mit anderen mitbringen. Viele Rhythmen und Groovestrukturen probieren wir bei den Proben dann in verschiedenen Versionen aus, stellen auch mal um, wechseln die Patterns untereinander aus, sprechen einzelne Passagen und Schlagfolgen bis ins Detail genau durch. Und zwar so lange, bis wir das Gefühl haben, dass es jetzt wirklich rund und in sich stimmig ist. Das ist zwar viel Arbeit, aber das Ergebnis spricht für sich. Und bei den Auftritten ist es einfach nur ein grandioser Spaß, mit einem weiteren Trommlerkollegen auf der Bühne zu stehen und zu spielen! Oft stehen wir uns gegenüber und schauen wir uns während der Show plötzlich an, wenn ein Part mal wieder besonders geil gegroovt hat. Und wenn mal der ein oder andere Verspieler unsererseits dabei ist (den meistens nur wir merken), gibt’s ebenfalls direkt ne blicktechnische Rückmeldung, ein kurzes Lachen oder auch mal hämische Schelte. Lustig ist es aber immer…

LaMaga: Viele Mittelaltermusiker versuchen sich daran, historische Instrumente nachzubauen. Hast du selbst schon mal versucht, eine Trommel zu bauen?

Jean: Ich hab mal eine Snaredrum im Stile einer alten Landsknechttrommel gebaut, ist aber schon einige Jahre her. Leider hatte ich den Winkel und den Gegenschnitt der Kesselgratung nicht exakt genug ausgeführt, weswegen sie nicht besonders schön geklungen hat. Aber naja, ‚Versuch macht kluch’…

LaMaga: Gibt es bekannte Instrumentenbauer, die historische Trommeln anfertigen?

Jean: Oh ja, da gibt es so einige. Unter anderem fällt mir da eben David Roman ein (davidromandrums.com), der auch für uns schon so manches Instrument hergestellt hat. Man muss aber nur das Internet durchstöbern oder mal auf der Frankfurter Musikmesse die verschiedenen Ausstellerstände begutachten, um einen Einblick in die Vielzahl der Anbieter zu bekommen. Da ist viel interessantes zu entdecken!

LaMaga: Worin unterscheidet sich eine „historische“ und eine moderne Trommel materialtechnisch?

Jean: Schwierig zu beantworten. Zunächst gibt es „DIE historische Trommel“ nicht, genauso wenig wie „DIE moderne Trommel“. Die Unterschiede bei den einzelnen Instrumenten sind, ungeachtet aus welcher Epoche sie stammen, teilweise wirklich gewaltig und teilweise fast nebensächlich. Eine Trommel – egal woher sie kommt – hat aber eigentlich immer einen Kessel (aus welchem Material auch immer) und dieser ist bespannt mit irgendeiner Art von Fell, auf dem dann gespielt wird, sei es mit Stöcken, Klöppeln oder auch den Händen. Die Form und die Bauweise des Kessels variieren natürlich, genau wie die Befestigung des Schlagfells. Manche Trommeln habe eine Schnürung, um das Fell zu befestigen, andere wieder haben Stimmschrauben, die direkt am Kessel angebracht sind. Und bei den Fellen gibt es ebenfalls viele Unterschiede, zum Beispiel hat man früher Naturfelle benutzt (was bei manchen Trommeln bis heute üblich ist), greift jedoch mittlerweile eher auf Kunststoffe zurück, weil sie beständiger zu stimmen und nicht so temperatur- und feuchtigkeitsabhängig sind. Wenn man es ganz allgemein und vereinfacht darstellen wollte, könnte man sagen, dass sich die Grundform der Trommeln nicht unbedingt verändert hat, wohl aber die Details, mit der die Instrumente dann arbeits- und klangtechnisch verfeinert werden.

LaMaga: Für einen Laien erklärt: Aus welchen typischen Komponenten besteht ein Standard-Schlagzeug?

Jean: Ein modernes Drumset, wie es im heutigen Rock-/Pop-/Jazzbereich benutzt wird, besteht meist aus einer Bassdrum, einer Snaredrum, 2-3 Toms, einer Hi-Hat, einem Ridebecken sowie ein oder mehreren Crashbecken. Die Größen und genauen Zusammenstellungen können dann natürlich je nach Vorliebe variieren.

LaMaga: In welchem Preisrahmen bewegt sich ein einfaches, anfängertaugliches Modell?

Jean: Das beginnt bei wenigen hundert Euro bis hin zu € 1.500,- bei Anfängersets, je nach Ausführung und Hersteller. Nach oben ist preislich natürlich keine Grenze gesetzt. Aber man muss es ja nicht übertreiben. Von allzu billigen Angeboten sollte man jedoch die Finger lassen, die klingen meist schrottig und geben schnell den Geist auf. Das macht dann keinen Spaß!

LaMaga: Wie viel Zeitaufwand muss man als Anfänger mit halbwegs vorhandenem Talent einkalkulieren, bis man das Schlagzeug sicher beherrscht? Mit sicher beherrschen meine ich, dass die Nachbarn erkennen, dass es sich um Musik handelt.

Jean: Das kommt auf den Einzelnen an. Ich unterrichte jetzt seit 14 Jahren und habe schon Schüler gehabt, die nach wenigen Wochen schon recht sicher einzelne Grundrhythmen spielen konnten. Die könnte man dann direkt in eine kleine Anfängerband packen, einfache Songs erarbeiten und Erfahrung sammeln lassen. Andere wiederum trommeln jahrelang vor sich hin, ohne dass sie jemals auch nur ansatzweise so etwas wie Groove finden würden, haben aber trotzdem Spaß dabei. Das hängt ganz von der eigenen Konstitution, der Koordinations-fähigkeit, dem rhythmisch-musikalischen Gehör und vor allem der Zeit ab, die man dem Instrument widmet. Aber wenn man einigermaßen konstant spielt und täglich ein bisschen übt, sollte eigentlich innerhalb eines Jahres schon so etwas wie Musik dabei herauskommen!

LaMaga: Wir danken Dir für das Interview und wünschen Dir eine schöne Marktsaison!

Jean: Vielen Dank fürs Fragen und dafür, dass ich so ausführlich zu Wort kommen durfte! Wir sehen uns irgendwo vor/neben/auf den Bühnen dieser Welt! Bis dahin… *