Anmerkung: Dieses Interview wurde ursprünglich im Kenavo-Larp-Sonderheft Juni 2005 (anlässlich des FC-Treffens im selben Jahr) veröffentlicht.

LaMaga: Wie wird man vom Rollenspiel-Spieler zum Rollenspiel-Autor?

Falk: Jeder, der Rollenspiele gespielt und dies als Spielleiter getan hat, ist ja im Prinzip schon sein eigener Rollenspiel-Autor. Jetzt dreht es sich nur darum, diese Dinge so aufzubereiten, dass sie zu publizieren sind. Und da muss man sich einfach trauen, die Leute ansprechen oder bereits kennen. Die Rollenspiel-Szene in Deutschland hat damals angefangen, als auch ich mit Rollenspiel angefangen habe. Das bedeutet, ich kenne fast die ganzen Urgesteins-Autoren, Verlagsgründer und so weiter noch aus Spielrunden und dann kommt man einfach zueinander, weil man weiß, was man vom anderen für Geschichten zu erwarten hat und welche Qualität da auch abgeliefert wird.

LaMaga: Inwieweit unterscheidet sich das Schreiben eines Pen-and- Paper-Abenteuers von der Ausformulierung eines Plots im Sinne einer Erzählung?

Falk: Für ein Rollenspiel ist es wichtig, dass man sich Gedanken darüber macht, was Spieler in der Situation anstellen könnten, um es dem Spielleiter schwer zu machen. Das heißt, man muss Szenen beschreiben, die so universell funktionieren, dass nichts schief gehen kann. Oder man muss dem Spielleiter Dinge an die Hand geben, dass er gegen diese Spielerdynamik gewappnet ist. Bei einem Autor, der eine reine Story verfolgt, ist es von daher auf der einen Seite einfacher, weil man einfach seine Handlung und alle Figuren beeinflussen kann ohne dass jetzt erratische Dinge passieren; auf der anderen Seite ist man ja dazu angeraten, die Innenwelt des Charakters zu beschreiben, weil das ja das ist, was spannend oder zum Ausdruck zu bringen ist. Davon ist man als Rollenspiel-Autor völlig frei, die Innenwelt stellen schließlich die Spieler dar, und diese Beschreibung macht es dann wieder sehr schwer, guter Literatur-Autor zu sein.

LaMaga: Inwieweit hängen die Rollenspiel-Abenteuer mit den entsprechenden Romanzyklen zusammen, die es ja nun auch gibt? Sind da irgendwelche Querverbindungen oder Interaktionen mit den Autoren der Romane?

Falk: Im Prinzip sind viele der Romanautoren Autoren, die von der Redaktion beauftragt worden sind, entweder Regelwerke oder Abenteuer dafür zu schreiben. Das bedeutet, ein Großteil der Romane ist unglaublich fundiert vom Weltenhintergrund her; dann gibt es aber auch Romane, bei denen Autoren geschrieben haben, die wegen ihrer Schreib-Stärke darum gebeten worden sind, daran mitzuarbeiten und die sind dann natürlich nicht so weltschöpfend. Also, sie schöpfen nicht aus der ganzen Welt, wie das ein Redaktionsautor kann, haben dafür aber wahrscheinlich storytechnische Vorteile.

LaMaga: Welche Vorgaben, an die ihr euch bindend haltend müsst, bekommt ihr vom Verlag, wenn ihr etwas schreibt? Ist das vergleichbar mit den Richtlinien für Serienroman- Heftautoren?

Falk: Es gibt Klarvorgaben in manchen Dingen. Man darf das Weltgefüge nicht einfach auseinander reißen. Es gibt wichtige Hauptcharaktere in der Spielwelt, die über Jahre aufgebaut worden sind und die man wegen einer einzigen Szene in einem Rollenspiel einfach nicht opfern darf. Man kann nicht einfach hergehen und beispielsweise die Hauptstadt des Mittelreiches dem Erdboden gleich machen, wenn es nicht in größerem Rahmen passiert, mit Unterstützung durch den Boten, über mehrere Abenteuer oder so, dass es einen wirklichen Sinn macht. Und deswegen beschränkt man sich schon auf einen gewissen Rahmen, der in das Weltgefüge einpassen muss.

LaMaga: Wie laufen dabei Absprachen mit anderen Regelwerksautoren, so dass sich nicht zum Beispiel widersprechende Regeln entstehen können?

Falk: Das ist ganz einfach: Da gibt es beim Schwarzen Auge eine Redaktion, die alle Abenteuer und auch Regelwerke daraufhin abprüft. Es gibt Arbeitsgruppen, die sich zum Beispiel mit dem Kampfsystem auseinandersetzen, es gibt Fachleute für Zauberei- und Magiesysteme etcetera pp., beispielsweise den Thomas Römer, und der achtet dann schon darauf, dass dann keine Regeln entstehen, die dagegen funktionieren. Aber: Der Intelligenz der Spieler in der Auslegung von Regeln sind keine Grenzen gesetzt. Ab und zu ist es daher dann auch nötig, manche Regeln klar zu stellen, die vielleicht fehlinterpretierbar sind.

LaMaga: Worin unterscheiden sich – abgesehen natürlich von Figuren, Welten und so weiter – Rollenspiele verschiedener Serien für Spieler und Autoren? Ist das vom Vorgehen her grundsätzlich alles das Selbe?

Falk: Es gibt die unterschiedlichsten Rollenspielsysteme, die durch die unterschiedlichen Regelmechanismen einen eigenen Reiz darstellen. Beispielsweise: Ein Spielsystem wie D&D, also Dungeons und Dragons, ist ein Spiel, das auf heroische Fantasy – High Heroic Fantasy – hinauszielt. Das bedeutet, da ist der Realismus im Detail zugunsten einer actiongeladenen, also einer überdimensionierten pancineastischen Actionszenerie reduziert, während bei Spielen wie „Ars Magica“ das Wichtige an der Regel ist, dass es vor einem mittelalterlichen Hintergrund funktioniert, der bis ins kleinste Detail ausgearbeitet ist. Das heißt, ein Rollenspiel – wenn ich das mal so sagen darf – sollte man sich danach aussuchen: Erstens: Taugen einem die Regeln und, zum Anderen: Gefällt einem die Spielwelt, wobei die Spielweltentscheidung immer die Wichtigere sein muss. Rollenspielregeln erleichtern es nur. Es gibt Rollenspiele wie Nobilis zum Beispiel, das kommt ohne jeglichen Würfel aus, das heißt, es braucht de facto keine Regeln. Rollenspiele prinzipiell brauchen keine Regeln, es bürgt aber dafür, dass man sich sicher ist, dass die Entscheidung der Spielleiter durchsetzt, keine Willkürentscheidungen sind Dadurch können Leute, die sich nicht gut genug kennen, vertrauensvoll miteinander spielen.

LaMaga: Du schreibst doch auch Kartensets, oder? Bin ich da richtig informiert?

Falk: (verwirrt) :Kartensets?

LaMaga: Ich bin selbst kein Rollenspieler, ich hab da keine Ahnung von. Aber es gibt doch wohl diese Bücher und Karten, die ergänzend dazu zum Spielen mitbenutzt werden.

Falk: Ach so! Du meinst so… Sagen wir mal so: ich hab an vielen Konzeptionen mitgearbeitet. Es gibt solche, die Myranor-Weltenkarte zum Beispiel, aber das gehört mit dazu. Wenn man irgendwie ein Abenteuer macht, dann denkt man sich natürlich aus, wie die Stadt aussieht, wie das Gebäude aussieht, bis im Endeffekt dazu, wie der Landstrich und die Welt aussieht.

LaMaga: Macht Kartenautoren die Kritik sogenannter Powergamer zu schaffen? Damit ist gemeint, dass fanatische Spieler an den Leuten, die Regeln oder was auch immer kreieren, stets rumzumeckern haben?

Falk: Also: Prinzipiell ist, so wie ich powergaming definiere, das eher schlecht. Powergaming heißt, ich nutze die Regeln zum maximalen Vorteil aus und verzichte dabei auf schönes Spiel. Für mich ist das Allerwichtigste, dass man in eine Welt, in eine Figur eintauchen kann und sie bis zur Stand-Up-Comedian-Darstellung oder bis zu schauspielerischen Einlage am Tisch oder dann auch im Liverollenspiel darstellen kann. Powergaming ist halt eben ein Ausnutzen der Regeln zur Maximierung der Erfahrungspunkte oder wie auch immer das in dem jeweiligen System geregelt ist. Und das finde ich eigentlich immer sehr schade. Dann kann man eigentlich auch irgendwelche Computerspiele spielen.

LaMaga: Macht ihr persönlich nur Pen-and-Paper Rollenspiele oder wart oder seid ihr auch Larper?

Falk: Wir haben natürlich mit Pen-and-Paper angefangen, aber es war sofort die Idee da, man könnte ja auch mal ein Schwert nehmen oder mal gucken ob man mit einem Bogen in einen Gang oder so schießen kann. Dann ist der Weg zu einem Live-Rollenspiel relativ schnell. Wir waren im Prinzip bei den ersten Liverollenspielen, die in Deutschland stattfanden, dabei und haben sozusagen da ganz früh das Liverollenspiel kennengelernt und mitgeprägt und sind da auch sehr froh drum. Leider haben wir zu wenig Zeit, jetzt noch auf Live-Rollenspiele zu gehen. Wir haben viele organisiert, wir haben viele heute noch Gültigkeit habende Ideen gehabt für Liverollenspiele, für die Mittellande beispielsweise, also die Mittelland-Liverollenspiel-Kampagne. Das hat unglaublich viel Spaß gemacht, ist jetzt aber sozusagen der Bandarbeit gewichen.

LaMaga: Wen oder was habt ihr dargestellt als Larper?

Falk: Meine langjährigste Rolle war die eines Ritters, der dann später König geworden ist Das war Raban von Schwarzenbach und der Lasterbalk hatte die unheimlich bekannte Figur der Geberot von Stahleck, dem strahlendsten Paladin-Ritter, den man sich nur vorstellen kann.