Anmerkung: Dieses Interview wurde ursprünglich im Kenavo-Larp-Sonderheft Juni 2005 (anlässlich des FC-Treffens im selben Jahr) veröffentlicht.

LaMaga: Geberot von Strahleck…

Lasterbalk: Von Stahleck! Also wie Stahl und Eck.

LaMaga: Wer war das?

Lasterbalk: Das war ein berühmter Ritter, der zusammen mit Raban von Schwarzenbach (alias Falk, die Red.) gemeinsam Aventüren und Questen bestanden hat und über viele Jahre hinweg Abenteuer erlebt hat.

LaMaga: Wie bekommt man den Einstieg in die Rollenspieler-Szene, wie findet man eine Gruppe, an die man sich anschließen kann?

Lasterbalk: Oha… da gibt es, glaube ich, so viele verschiedene Wege wie es verschiede Leute gibt, die Mittelalter machen. Liverollenspiel war bei mir so: Ich hab irgendwann in der Schule mit „Das Schwarze Auge“ angefangen, da war das gerade in der ersten Edition raus – was einen Rückschluss auf mein Alter zulässt, fällt mir gerade ein – und wir haben das irgendwie deutlich spannender als Matheunterricht gefunden und haben fast jeden Nachmittag irgendwie gezockt und irgendwann, da war ich gerade so achtzehn, bin ich mit einer Freundin auf einen Mittelaltermarkt gefahren. Dort sind wir mit einer gerade frisch gebackenen Rittergruppe ins Gespräch gekommen, die dort schaukämpfte und ein kleines Lager ausgestellt hatte. Die kamen auch aus Karlsruhe und so hat man sich eben zusammen getroffen und einer derjenigen, der da gerade frisch und völlig stolz sein erstes Schwert in der Hand hatte, war eben jener Raban von Schwarzenbach und das war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft (lacht).

LaMaga: Muss man als Rollenspieler besondere Voraussetzungen mitbringen, beispielsweise eine gewisse Belesenheit in genretypischen Werken oder historische Kenntnisse oder kann man auch als völlig phantasieloser Mensch als Rollenspieler vernünftig in Rollenspiel einsteigen?

Lasterbalk: Also ich glaube, als vollkommen phantasieloser Mensch ist man da völlig fehl am Platz. Dass man sich wirklich Bildung Anlesen muss, glaub ich nicht. Es ist aber natürlich sehr viel schöner, wenn man sowohl von der realen Historie als auch verschiedenen Fantasy-Universen einfach Ahnung hat und Spaß dran hat, sich Geschichten auszudenken und über Welten nachzudenken.

LaMaga: Wie entsteht eine Figur, in deren Rolle man schlüpft? Inwieweit sind hier autonome Eigenbestimmung oder Einflussnahme von Außen durch die Regelwerke und Spielverläufe ausschlaggebend? Ich kenne das Beispiel von jemandem, der eine Figur für sich aufwändigst komplett mit Biographie und Charakterzügen entwickelt hat, die dann die erste Spielrunde nicht überlebte. Also, inwieweit macht man seine Figur selber oder wie wird sie durch die Spielregeln gemacht?

Lasterbalk: Sie entsteht natürlich immer ein bisschen im Spielverlauf mit, also, man ist, was man erlebt hat. Das gilt für einen normalen Menschen wie für eine fiktive Figur. Ich kann nur sagen, wie wir in meinem Freundeskreis mit so was umgehen, wir gehen immer vom Archetypus oder die Biographie aus, also, was ist es für ein Mensch oder ein Typus, den man darstellen will. Und anhand von dem Psychogramm, wenn man so will, entwickelt sich dann eine Spielfigur.

LaMaga: Wie erklären sich bestimmte Charakter- und Figurenkonstellationen, die immer wieder vorkommen, wütende Kampfzwerge oder Elben oder Ähnliches zum Beispiel. Sind das Grundsteine dieser Spielsysteme oder…

Lasterbalk: Es sind Klischees. Es ist sehr viel leichter, Archetypen darzustellen. Keine Ahnung… ein cholerischer Kämpfer ist bestimmt leichter als ein pazifistischer Söldner, der immer zwischen den Polen Kampf und Pazifismus hin und her schwenkt. Das eine hat sicherlich seinen Reiz in der Tiefe, das andere ist schlicht und ergreifend einfach leichter und vielleicht komischer oder überzeichneter darstellbar.

LaMaga: Weißt du etwas über die Grundzüge des durch Regelwerke bestimmten Rollenspiels? Irgendwann hat ja jemand mal angefangen, diese Dinge zu verschriftlichen und diese Abenteuer und Regelwerke und was es da alles geben mag, herauszubringen. Weißt du, wie das auf diesem Niveau angefangen hat?

Lasterbalk: Da ist der Falk als Rollenspiel-Historiker deutlich besser informiert. Ich weiß, „Das Schwarze Auge“ war das erste Rollenspiel-System, dass tatsächlich auf den deutschen Markt gekommen ist, in Amerika hat im Wesentlichen D&D, also Dungeons and Dragons, die erste große Rollenspiel-Welle losgetreten, überm Teich halt. Das schwappte auch nach Deutschland, allerdings war es stark reglementiert, und weil es auch alles in Englisch war, waren es in erster Linie Studenten- und Hochschulkreise, die es nebenher gespielt haben. Und aus diesen Kreisen, die Midgard oder D&D gespielt haben, entsteht im Prinzip die erste deutsche Rollenspiel-Redaktion, nämlich damals „Das Schwarze Auge“. (Anmerkung: Falk präzisiert diese Aussage später per Email wie folgt: „*räusper* Das erste deutschsprachige Rollenspiel war “Abenteuer in Magira” im EDFC bzw. Follow entstanden. Dann gab es „Midgard“, eine Abspaltung von “AiM”. “Das schwarze Auge” und “D&D” war ziemlich gleichzeitig am Start.)

LaMaga: Ich höre immer wieder von Rollenspielern, sogenanntes „freies Rollenspiel“ – keine Karten, keine Würfel, alle, wie es ihnen gerade einfällt – ende in Anarchie und werde von Profispielern konsequent abgelehnt. Hast du Erfahrungen mit so was?

Lasterbalk: Ich würde den Satz nicht so hundertprozentig unterstreichen, aber generell macht es Sinn, ein durchdachtes und gut funktionierendes Regelwerk zu haben weil einfach jeder weiß, woran er ist und es im Sinne des Spielverlaufs und Spielflusses einfach Entspannung bringt.

LaMaga: Falk erwähnte, ihr hättet auch mal Larp gemacht. Wie reagiert die Umwelt, wenn man verkleidet mit einem Gummischwert bewaffnet durch den Wald rennt?

Lasterbalk: Ungefähr so als wenn man verkleidet mit einem Dudelsack bewaffnet durch den Wald rennt. (lacht) Das tut sich nicht viel.

LaMaga: Wie, das macht ihr auch im Wald?

Lasterbalk: Ja, eine der ersten Saltatio-Proben, als wir beschlossen hatten, im Sommer doch keinen Proberaum mehr zu wollen, fand in einem kleinen Wald bei Speyer statt. Da wollte uns hinterher der Förster oder Jäger erschießen, der dort gerade auf der Jagd war, weil wir ihm alles Wild verscheucht haben mit unseren Dudelsack-Proben. Also, der war nicht so glücklich mit uns. Übrigens wären wir kurz davor auch schon erschossen worden, auch in Speyer, da hat der Ungemach gemeint, wir könnten im Freien proben, da gäbe es so einen Truppenübungsplatz, der nicht mehr benutzt wird. Dann haben wir da auch fleißig geprobt und unser erstes Demo aufgenommen. Und irgendwann kamen ein paar Leute mit Stahlhelmen und Grünzeug auf dem Helm und angelegtem Maschinengewehr in der Hand und wiesen darauf hin, dass wir gerade mitten in einem Nato-Manöver Dudelsack spielen würden.

LaMaga: Dann kann man also sagen, dass Larper ein gefährliches Leben führen.

Lasterbalk: In dem Fall sind die Spielleute gefährdeter.

LaMaga: Wo liegen abenteuerablauftechnisch die Unterschiede zwischen Larp und Pen-and-Paper? Ich denke da zum Beispiel an die Verfügbarkeit von Locations, in denen Larper sich bewegen oder auch nicht bewegen können…

Lasterbalk: Bei einem Tischrollenspiel ist prinzipiell alles möglich. Also, beim Tischrollenspiel, gerade in so postmodernen Welten wie Shadowrun oder Cyberpunk-Universum sind Mensch-Maschine-Verschmelzungen darstellbar und möglich… keine Ahnung, überlichtschnelle Raumschiffe und so weiter. Das stößt logischerweise, wenn man versucht, es live umzusetzen, an seine Grenzen. Bei mittelalterlichen oder fantasyorientierten Spielen ist der hauptsächliche Unterschied erst mal darin, dass es einfach extrem schwer wird, einen glaubhaften, 20 Meter großen Drachen darzustellen – im Liverollenspiel. Ich hab das schon erlebt von jemandem, der das gemacht hat und sogar extrem glaubhaft mit sehr viel technischem Aufwand – das ist aber eher die Ausnahme. In der Regel wird man sich schon einfach auf ein kleines Setting beschränken müssen, eine Burg und den Wald darum herum, oder drei, vier Hütten im Wald etcetera. Und dementsprechend muss die Story sich auch genau um diese Plätze drehen. Dann hat man natürlich das Problem, dass man eine begrenzte Anzahl an Mitspielern hat. Also man hat halt – keine Ahnung – Schwierigkeiten, einen drei Meter großen Troll darzustellen.

LaMaga: Das mit dem Drachen war aber nicht Flux?

Lasterbalk: Nein, das war damals nicht Flux, aber der gute Flux kommt auch genau aus der gleichen Clique und hat ebenfalls mit einem Freund von uns auch einen Drachen gebaut, der Feuer spucken konnte. Der war also damals auch schon in der Richtung unterwegs.

LaMaga: Überschneidungen zwischen der Larp- und der Mittelalterszene – gibt es die oder ist das eine erbitterte Feindschaft? Wenn man so bei Tempus Vivit durchs Forum klickt, dann sind das ja Welten, die aufeinander zu prallen scheinen…

Lasterbalk: Ich sehe das entspannt. Wenn wir gerade von unserer etwas erhöhten Position runtergucken, sehen wir doch unendlich viele – hier unten zum Beispiel (Anm.: jemand elben-artiges steht gerade an der Metschenke) – Quasi-Larper. Ich denke, es ist jedem selbst überlassen, ob er ein authentisches, historisch fundiertes Mittelalter darstellen möchte – dann hat er aber, glaube ich, auf dem Markt, auf dem wir uns gerade befinden, nicht viel Freude, denn hier gibt es nichts, was in irgendeiner Form dem Authentizitäts- Standard genügt. Man muss sich dann tatsächlich an die entsprechenden Vereinigungen – 1476 oder Company Of St. George oder so – wenden. Und dann gibt es halt ein großes breites Mischfeld von Leuten die rein nur Fantasy machen, die haben ihren Tolkien gelesen und Spaß da drin, und die interessiert das Mittelalter auch nicht. Für die ist das Ganze hier ein Fantasy-Markt. Und dann die große weite Verteilung dazwischen, die sich mal zum Fantasy- und mal zum Mittelalterpol hingezogen fühlt und das einfach nicht so furchtbar bierernst nimmt und einfach Spaß hat. Und ich glaube, alles hat seine Berechtigung.

LaMaga: Und zum Schluss noch Zeit für Werbung: Was gibt es an mit SaMo-Beteiligung geschriebenen Werken im Handel? Ich hab das mal versucht, zu recherchieren – das ist nicht einfach.

Lasterbalk: Also, ich hab hauptsächlich für „Shadowrun“ gearbeitet, das ist ein Rollenspielsystem in der nahen Zukunft, 2060 aufwärts, wo Mensch-Maschine-Verschmelzungen möglich sind, sehr düstere postmoderne Zukunft. Und dort habe ich Prinzip in den fast kompletten Regelwerken der dritten Edition meine Beiträge drin. Dann in der Deutschland-Ausarbeitung dazu, da gibt es inzwischen vier Bücher „Deutschland in den Schatten“, „Chromodioxin“, „Walzer, Punks und schwarzes Ice“, „Deutschland in den Schatten 2“. Dann gibt es einen Abenteuerband, „Schockwellen“ heißt der, den hab ich leider wegen Saltatio nicht selber fertig stellen können, den haben Autoren dann weitergeschrieben – nachdem ich, übrigens damals wegen der Subway To Sally-Tour, absagen musste. Dann gibt es in dem ehemaligen Rollenspielmagazin  „Wunderwelten“, wo ich lange Zeit Stammautor war, eine Menge Artikel und Geschichten von mir zu lesen. Beim Schwarzen Auge habe ich mit Falk zusammen ein Abenteuer geschrieben, „Die unsichtbaren Herrscher“, dann hab ich im Sammelband „Siebenstreich“, auch für das Schwarze Auge, ein Abenteuer geschrieben, „Wenn der Schatten das Licht verschlingt“ heißt das, glaube ich. In „Pfade des Lichts“, auch so eine Anthologie, habe ich ein Abenteuer drin, mit meiner damaligen Lebensgefährtin zusammen geschrieben; das heißt „Stunde des Schweigens“… ich hab noch mehr, aber ich weiß es im Moment nicht aus dem Kopf.